Nach längerer Krankheit haben Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf eine stufenweise Wiedereingliederung in das Arbeitsleben. Arbeitgebern fällt es häufig schwer, dieses sogenannte „Hamburger Modell“ rechtskonform und für alle Seiten vorteilhaft umzusetzen. Dabei ist die Wiedereingliederung nach Krankheit eine Möglichkeit, von der auch Sie als Unternehmen stark profitieren können, wenn sie richtig durchgeführt wird.

Wiedereingliederung nach Krankheit: Die Rechtsgrundlagen

Der Rechtsanspruch eines Arbeitnehmers auf Wiedereingliederung nach Krankheit gründet sich auf § 84 Absatz 2 SGB IX. Hier ist festgehalten, dass ein Beschäftigter, wenn er innerhalb eines Jahres mindestens sechs Wochen arbeitsunfähig war, ein gesetzliches Anrecht auf ein sogenanntes BEM hat. Die Abkürzung steht für „betriebliches Eingliederungsmanagement„. Weitere Rechtsgrundlagen sind § 74 SGB V, § 28 SGB IX sowie § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V. Sie sind demnach gezwungen, ein entsprechendes Konzept vorzuschlagen. Eine Ausnahme gilt nur für Schwerbehinderte: Wenn Sie schlüssig begründen können, dass ein stufenweiser Wiedereinstieg unzumutbar für den Arbeitnehmer und das Unternehmen ist, dürfen Sie die Wiedereingliederung nach Krankheit ablehnen.

Inhaltlich sind Sie beim BEM relativ frei. Die Wiedereingliederung darf ab dem Moment beginnen, ab dem der behandelnde Arzt eine teilweise Arbeitsfähigkeit bescheinigt. Der stufenweise Einstieg muss sich in einem Zeitrahmen von mindestens sechs Wochen bis zu maximal sechs Monaten abspielen. Ziel des Hamburger Modells ist die allmähliche Gewöhnung an die Arbeitsbelastung. Die Zahl der Arbeitsstunden muss also stückweise erhöht werden.

Der Arbeitnehmer hat das Recht, Ihren Vorschlag abzulehnen. Er kann Ihnen ein Gegenangebot unterbreiten, das Sie jedoch ebenfalls ablehnen dürfen. Es ist in jedem Fall sinnvoll, das BEM direkt in Abstimmung mit dem Betroffenen zu planen, um sich auf ein gemeinsames Konzept zu einigen.

Wiedereingliederung nach Krankheit © Fotolia/Flamingo Images

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Wer zahlt Ihr Gehalt während der Wiedereingliederung?

Während der Wiedereingliederung wird das Gehalt von Ihrer Krankenkasse oder Rentenversicherung gezahlt. Für Unternehmen ist die Wiedereingliederung nach Krankheit aus wirtschaftlichen Gründen vorteilhaft. Sie gewinnen stufenweise einen Mitarbeiter zurück, müssen diesen aber nicht bezahlen. Grundsätzlich zahlt die Krankenkasse Krankengeld während dieser Zeit. Es gibt jedoch eine Ausnahme: Wird die Wiedereingliederung nach Krankheit vier Wochen nach Ende einer stationären medizinischen Rehabilitation begonnen, zahlt die Rentenversicherung Übergangsgeld. In besonderen Situationen wie z.B. infolge von Arbeitsunfällen zahlt die Agentur für Arbeit Verletztengeld. Sie müssen keinesfalls selbst finanziell tätig werden.

​Übersicht: Die wichtigsten Punkte zur Wiedereingliederung

Freiwillige finanzielle Leistung durch den Arbeitgeber: Meinen Sie es nicht zu gut

Arbeitgeber dürfen Beschäftigen, die sich im BEM befinden, allerdings sehr wohl freiwillig ein Arbeitsentgelt zahlen. Hier gilt jedoch die Regel, dass Sie es nicht zu gut meinen sollten. Denn erstens helfen Sie Ihrem Arbeitnehmer damit nicht und zweitens nehmen sie nur selbst wirtschaftlichen Schaden. Denn der Betroffene darf Ihr Arbeitsentgelt nur bis zu einem Betrag in Höhe von 50 Euro oberhalb seines regulären Nettogehalts behalten. Der Überschuss wird mit dem Kranken- bzw. Übergangsgeld verrechnet.

Häufige Fehler vermeiden: Arbeitsplatzwechsel sind nicht erlaubt

Einige Arbeitgeber planen ein durchaus gut gemeintes BEM, bei dem die betroffene Person zuerst leichtere Aufgaben zugewiesen bekommt. Der Anspruch wird in der Folgezeit gesteigert. Hierbei kann jedoch schnell ein Fehler passieren: Das Gesetz schreibt vor, dass die Wiedereingliederung nach Krankheit am bisherigen Arbeitsplatz stattzufinden hat. Sie dürfen den Beschäftigten nicht an anderer Stelle einsetzen. Auch wenn Sie zuerst leichtere Aufgaben stellen, müssen diese nachweislich in direktem Zusammenhang mit dem bisherigen Arbeitsplatz stehen. Andernfalls wird die Kostenübernahme durch die Sozialversicherungen eingestellt und Sie müssen zahlen.

Entwickeln Sie einen Stufenplan

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das die korrekte Umsetzung des Hamburger Modells überwacht, empfiehlt Arbeitgebern die Entwicklung eines Stufenplans. Nach Möglichkeit sollte dies im Zusammenspiel mit der betroffenen Person geschehen. Der Stufenplan sollte, so der Vorschlag des Ministeriums, die folgenden Angaben enthalten:

  • Anfang und Ende der Wiedereingliederung nach Krankheit
  • Details über die einzelnen Stufen
  • Rücktrittsrecht für den Arbeitnehmer vor dem vereinbarten Ende
  • Ruhen von bestimmten Bestimmungen im Arbeitsvertrag während des BEM
  • Unterschrift von Arbeitgeber und Arbeitnehmer
  • Optional: Gründe für ein vorzeitiges Ende bzw. den Abbruch
  • Optional: Bestimmungen über das freiwillig gezahlte Arbeitsentgelt

Rechtlich vorgeschrieben ist der Stufenplan nicht. Allerdings ist er gerade für Arbeitgeber sinnvoll, handelt es sich doch um eine Art „Ersatzvertrag“ für die Zeit der Wiedereingliederung nach Krankheit. Sie können mit dem Stufenplan nachweisen, dass Sie Ihrer Rechtsverpflichtung nach Angebot eines BEM nachgekommen sind und dass zudem die Zustimmung des Arbeitnehmers vorliegt.

Zwei abschließende Hinweise für Arbeitgeber

1) Nach BEM-Ablehnung durch den Arbeitnehmer: Angebotspflicht kann wieder aufleben

Lehnt der Arbeitgeber ein BEM ab, haben Sie vorläufig Ihre rechtlichen Verpflichtungen erfüllt. Es besteht von Ihrer Seite erst einmal keine Pflicht mehr, dem Beschäftigten ein Konzept zur Wiedereingliederung nach Krankheit anzubieten. Allerdings kann diese Pflicht wieder aufleben. Hierzu muss der Arbeitnehmer schriftlich anzeigen, dass er jetzt ein BEM wünscht. Dies kann er zu jeder Zeit tun, solange er noch Kranken- oder Übergangsgeld erhält. Erfolgt ein entsprechender Schritt, müssen Sie ein BEM offerieren.

2) Informationen für Betriebs- und Personalrat: Rücksprache mit dem Arbeitnehmer

Ganz gleich, wie groß Ihr Unternehmen ist und ob es eine Arbeitnehmer- und Schwerbehinderten-Vertretung gibt: Sie müssen in jedem Fall ein BEM anbieten. Falls ein Betriebs- und Personalrat existiert, müssen Sie diesen nicht darüber unterrichten. Rechtlich wird es an dieser Stelle etwas kompliziert: Betriebs- und Personalrat haben zu jeder Zeit das Recht, von Ihnen eine Liste der Personen einzufordern, die innerhalb eines Jahres mindestens sechs Wochen arbeitsunfähig waren. Eine Zustimmung der Betroffenen ist hierfür nicht notwendig.

Die Arbeitnehmervertreter können dann ihrerseits Kontakt mit den Betroffenen aufnehmen, um zu überprüfen, ob Sie diesen ein BEM angeboten haben. Personal- und Betriebsrat können so ihrer Überwachungsfunktion nachkommen. Auf Wunsch der betroffenen Person können die Arbeitnehmervertreter auch bei der Umsetzung der Wiedereingliederung nach Krankheit teilnehmen. Der Arbeitnehmer kann dies jedoch auch ablehnen. Es ist deshalb ratsam, dass Sie Rücksprache mit dem Betroffenen halten und über diesen Punkt sprechen.