In einer immer komplexeren und zunehmend digitalen Ökonomie ist es gerade im Angesicht der wachsenden globalen Konkurrenz ihre Aufgabe als Personaler, die jeweils besten Mitarbeiter für Ihr Unternehmen zu finden. Ein Schlüssel ist hier das Bewerbungsgespräch, denn nur in einem Vier-Augen-Gespräch fühlen Sie einem Bewerber wirklich auf den Zahn. Dazu müssen Sie allerdings auch die richtigen Fragen stellen, um den Bewerber aus der Reserve zu locken.
Wenn Sie sich hingegen nur auf die Eckdaten aus dem Lebenslauf und auf Standardfragen verlassen, ist das Risiko hoch, nicht den besten Kandidaten einzustellen. Immerhin existieren im Internet mittlerweile zahlreiche Seiten mit hunderten Standardfragen inklusive „personalerfreundlichen“ Antworten, die Bewerber mit wenig Aufwand auswendig lernen können. Wie also mit dem Problem umgehen?
Was ist im Fragenteil des Bewerbungsgesprächs zu beachten?
Für ein erfolgreiches Bewerbungsgespräch ist es wichtig, dass auch Sie als Personaler sich ebenso intensiv auf das anstehende Bewerbungsgespräch vorbereiten wie der Bewerber. Das tun Sie am besten, indem Sie neben Standardfragen auch spezielle Fragen für das Bewerbungsgespräch formulieren.
Diese müssen Sie so formulieren, dass der Bewerber aus der Reserve gelockt wird, indem die Frage im Bewerbungsgespräch nicht mit einer auswendig gelernten Antwort beantwortet werden kann. Bevor Sie sich allerdings an die Entwicklung eines Fragenkatalogs machen, werfen wir einen Blick auf verschiedene Fragetypen, aus denen ein strukturiertes Bewerbungsgespräch aufgebaut ist. Stellen Sie sich den Prozess wie eine Leiter vor.
Fachliche Qualifikationsfragen als Eisbrecher
Auch wenn Sie die fachlichen Qualifikationen des Bewerbers meist aus dessen Unterlagen entnehmen können, sind diese Fragen im Bewerbungsgespräch wichtig und die erste Stufe der Frageleiter. Sie dienen einerseits dazu, zu überprüfen, ob die angegebenen Fachkenntnisse tatsächlich vorhanden sind, andererseits helfen Sie als Eisbrecher dabei, die wesentlich persönlicheren Fragen einzuleiten. Letztere betreffen beispielsweise den Charakter des Bewerbers. Stellen Sie die Fragen möglichst offen, sodass der Bewerber diese nicht zu knapp oder gar mit nur einem Wort beantworten kann. Ideal sind beispielsweise folgende Fragen:
- Warum sind Sie der ideale Kandidat für den Job in unserem Unternehmen?
- Welche Fachkenntnisse bringen Sie für die ausgeschriebene Stelle mit?
Motivationsfragen decken die Absichten des Bewerbers auf
Als Personalverantwortlicher müssen Sie natürlich wissen, warum sich jemand bei Ihrem Unternehmen bewirbt. Macht er dies, weil er lediglich Geld verdienen möchte? Sucht er einfach nur ohne erkennbare Motivation nach einer Notlösung? Oder handelt es sich um einen Bewerber, der scheinbar seinen Traumjob gefunden hat? Das ist bereits ein kritischer Punkt, denn nur ein motivierter Mitarbeiter bringt für das Unternehmen den maximalen Gewinn. Typischerweise fallen in diese zweite Kategorie der Frageleiter Nachfragen wie:
- Was wissen Sie über unser Unternehmen?
- Warum haben Sie sich auf unsere Stellenanzeige beworben?
- Sind Sie bereit, einen Umzug in Kauf zu nehmen?
- Wo sehen Sie sich in fünf Jahren?
Einige dieser Fragen können Sie natürlich einstreuen, denn sie haben durchaus ihre Berechtigung, denn schließlich dienen sie dazu, abzuklopfen, wie stark sich ein Bewerber mit der Stellenanzeige und dem Unternehmen beschäftigt hat. Bohren Sie an diesem Punkt ruhig ein wenig tiefer und fragen Sie vielleicht nach, warum ein Bewerber seinen aktuellen Job aufgegeben hat, was er sich von Ihrem Unternehmen erwartet und welche persönlichen Ziele er mit diesem Job verfolgt. Aus den Antworten können Sie bereits Rückschlüsse auf die unmittelbare Arbeitsmotivation und die Loyalität des potenziellen Mitarbeiters ziehen.
Fünf Fragen, mit denen Ihr
Bewerber nicht gerechnet hat
Mit diesen Fragen locken Sie Ihre Bewerber aus der Reserve!
Fragen zum Charakter und der persönlichen Qualifikation
Sobald Fachqualifikation und Motivation abgehakt sind, geht es auf der dritten Sprosse ans Eingemachte. Die Persönlichkeit und der Charakter sind letztlich entscheidend, ob ein Team funktioniert und Leistungen erbracht werden oder nicht – da kann die fachliche Qualifikation noch so gut sein.
An diesem Punkt bereiten Sie durch indirekt gestellte Fragen geschickt die nächsten Fragestufen vor. Beginnen Sie mit einfachen Fragen, deren Antworten Sie vielleicht auch schon aus den Bewerbungsunterlagen kennen, und beobachten Sie, ob sich die Antworten decken. Beginnen Sie aber auch bei diesen Fragen im Bewerbungsgespräch mit einer offenen Frage wie:
- Erzählen Sie doch bitte etwas von sich.
- Wie würden Sie Ihre Freunde beschreiben?
- Beschreiben Sie Ihre Arbeitsweise.
- Was sind Ihre Stärken und Schwächen?
- Welche Position hatten Sie in Ihrem letzten Job innerhalb des Teams?
- Was war der größte Fehler, den Sie jemals begangen haben?
- Welches Tier entspricht Ihrem Charakter?
- Welche Hobbys haben Sie?
Mithilfe solcher Fragen verschaffen Sie sich einen ersten persönlichen Eindruck vom Charakter des Bewerbers. Machen Sie sich Notizen zu den Antworten des Kandidaten. Diese dienen im finalen Schritt als Basis für einige entscheidende Fragen im Bewerbungsgespräch, die dem Bewerber wirklich auf den Zahn fühlen.
Fang- und Stressfragen
Auf der vorletzten Stufe der Frageleiter haben die Fragen, die Sie stellen, zwei Aufgaben. Erstens: Sie haken ganz gezielt an Punkten nach, die Sie sich bereits während der Durchsicht der Unterlagen vorgenommen haben oder die Ihnen während des Bewerbungsgesprächs aufgefallen sind. Zweitens: Durch das Nachhaken und das Stellen von Stress erzeugenden Fragen überprüfen Sie die Souveränität der Bewerber und deren Verhalten in unvorhergesehenen Situationen.
Hier bietet sich beispielsweise eine Frage wie: „Warum haben Sie Ihre Regelstudienzeit um vier Semester überschritten?“ an. Achten Sie darauf, ob der Bewerber Ihnen eine schlüssige Antwort liefert, und versuchen Sie, faule Ausreden zu enttarnen. Wer freimütig einräumt, selbst geschludert zu haben, kann eher punkten als jemand, der die Schuld seinen Professoren oder den hohen Anforderungen zuschreibt.
Ehrlichkeit ist hier der Trumpf, den Sie allerdings auch erkennen müssen. Um in dieser Disziplin möglichst gut zu sein, ist im Übrigen die Teilnahme an Seminaren zu Themen wie Rhetorik und nonverbaler Kommunikation von Vorteil. Weitere mögliche Stressfragen:
- Was möchten Sie gerne verdienen?
- Sie sind für diese Stelle über-/unterqualifiziert. Warum haben Sie sich dennoch beworben?
- Warum wollen Sie Ihren Job nach nur einem Jahr wieder wechseln?
- Wie gehen Sie mit Kritik um?
- Was können Sie an einem Kollegen gar nicht leiden?
- Was konnten Sie an Ihrem letzten Arbeitgeber nicht leiden?
Speziell die letzten beiden Fragen sind komplex und lassen große Rückschlüsse auf den Charakter zu. Richtig ist hier die Aufzählung von Eigenschaften, die prinzipiell stören. Wäscht ein Kandidat hingegen schmutzige Wäsche, sollte das für Sie als Personaler ein Warnsignal sein.
Kreative Fermi-Fragen und Brainteaser
Die fünfte Stufe der Fragen im Bewerbungsgespräch dient dazu, das bisher Gesagte durch einen praktischen Ansatz zu überprüfen, und ist damit die Königsdisziplin der Fragestellung. Auf diese Weise können Sie geschickt checken, ob die Aussagen von vorherigen Stufen der Frageleiter wirklich zum Naturell des Bewerbers passen oder ob diese lediglich auswendig gelernt waren. Bevor wir zu fünf ungewöhnlichen Ideen für Fragen im Bewerbungsgespräch kommen, ein kurzes Beispiel, das die Funktionsweise dieser Fragenkategorie veranschaulicht.
Beispiel: „Beschreiben Sie Ihre Arbeitsweise!“
Hier erkennen Sie leicht, ob die Aussage, die der Bewerber in Frageblock drei gemacht hat, mit der Realität übereinstimmt. Stellen Sie dem Bewerber eine Frage wie: „Wie viele Klavierstimmer gibt es in Berlin?“ Es zählt natürlich nicht die exakte Antwort, sondern die Vorgehensweise als Reaktion auf solche Fragen im Bewerbungsgespräch. Hat der Bewerber die Frage nach seiner Arbeitsweise zuvor mit „strukturiert“, „durchdacht“ und „gewissenhaft“ beantwortet, wird dieser auch die gestellte Aufgabe strukturiert lösen. Zum Beispiel so:
- In Berlin leben ca. 3,5 Millionen Menschen.
- Der durchschnittliche Haushalt hat 2 Personen.
- Jeder 30. Berliner Haushalt hat ein Klavier, das regelmäßig gestimmt wird.
- Ein Klavier muss wegen der Längung der Saiten jährlich gestimmt werden.
- Die angenommene Arbeitsdauer pro Klavier beträgt 2-3 Stunden.
- Etc. …
War die Antwort auf eine zuvor gestellte Frage hingegen eine auf Ihr Wohlwollen ausgerichtete Nebelkerze, fällt das anhand solcher Fragen und Aufgaben schnell auf. Das Schöne an dieser Art von Fragen für ein Bewerbungsgespräch ist, dass Sie Ihrer Kreativität freien Lauf lassen können, um Fragen zu finden, die auf genau die Eigenschaften abzielen, die Sie abklopfen möchten.
Hinterlassen Sie einen Kommentar